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Game on: Zauberflöte

Das interaktive Musiktheaterformat GAME ON: ZAUBERFLÖTE bietet dem Publikum die Gelegenheit, vor und während der Theateraufführung den Fortgang der Handlung zu beeinflussen, neue Wege zu finden und die althergebrachte Reihenfolge zu verändern – bis hin zur Einflussnahme auf den Schluss der Gaming-Oper. Die Oper soll die ihr eigentümliche Kraft in der Kombination von Theatralität und Live-Musizieren erhalten, der analoge Bühnenraum wird jedoch mit einer Videospiel-Ästhetik konfrontiert und digital erweitert.

 

Für die Entwicklung der Gaming-Parts haben wir mit der Münchener Firma Moby Digg ein renommiertes Kreativ-Studio an unserer Seite. Um das Unterfangen auf der analogen Bühne und in der digitalen Welt zu verorten, bündeln Theatermacher und Kreativ-Studio ihre Kompetenz mit Offenheit und der Faszination an neuen Begegnungen zwischen den Sparten, Formen und Welten – um das Potenzial der Pixel auf das Potenzial der Töne loszulassen.

GAME ON:
ZAUBERFLÖTE
Ein Bericht aus der (digitalen) Werkstatt

Von Heiko Voss

Gerade noch hat Tamino mit einer riesenhaften Schlange gerungen und muss auch schon wieder los, um gemeinsam mit Pamina die Wasser- und Feuerprobe zu bestehen. Oder sollte er zuvor besser noch mehr dieser lebensspendenden Zauberinstrumente einsammeln? GAME ON: Das Spiel läuft. Viele Aufgaben und Prüfungen, die Mozarts Figuren-Ensemble in seinem Singspiel von der Flöte mit den Zaubertönen zu bestehen hat, lesen sich wie genuine Spielaufgaben aus der Gaming-Welt eines aktuellen Computerspiels und lassen sich ohne Mühe in einer solchen Ästhetik verorten. Pamina und Tamino als Avatare, die wir durch Computerspielwelten lenken? An ihrer Seite mit Papageno und Papagena zwei farbenfrohe Abspaltungen ihrer selbst? Für welche Figur entscheidest du dich? Welche Quest willst du auf dich nehmen, welchen Weg einschlagen?
Das interaktive Musiktheaterformat GAME ON: ZAUBERFLÖTE bietet dem Publikum die Gelegenheit, während der Theateraufführung den Fortgang der Handlung zu beeinflussen, neue Wege zu finden und die althergebrachte Reihenfolge zu verändern. Die Oper bewahrt dabei ihre große analoge Kraft, das Bühnenleben wird jedoch um virtuelle Bühnenwelten erweitert: Im Schlangenkampf trifft Tamino auf eine animierte Schreckensgestalt, während ihm an den Tempel-Pforten der Atem stockt – so schön, so sagenhaft-sinnlich eröffnen sich vor ihm die phantastischen Welten. Die Wirkung ist enorm, die Versuchung groß,in immer neue, unerschlossene Gebiete vorzustoßen! Doch das Spiel birgt auch Gefahren – etwa wenn der zerberushafte Monostatos aus dem Spiel purzelt und auf einmal leibhaftig vor den Gamern steht.
Wir können die Fantasy-Charaktere mit Superkräften ausstatten oder sie zappeln lassen, wir können mit ihnen Fehler vermeiden oder offensiv auf die Gefahren zusteuern – wir können die Geschichte selbst zu Ende schreiben. Die virtuelle Welt bietet Empowerment: Eros im Avatar deines Selbst, Thanatos im sanften Game-Over-Tod. Doch wie viele (Liebes-)Leben stehen dem Avatar zur Verfügung? Wie oft darf das „Game Over“ aufblinken, bis das Spiel tatsächlich zu Ende gespielt ist? Wie oft darf unser Avatar zurück an den Beginn des Levels? Können wir ihm mit Hilfe der Zauberflöten ein neues Leben verschaffen? Oder gibt es da ohnehin eine übergeordnete Instanz, die eingreifen wird?
Sarastro-Entertainment steht bereit, um die Gaming-Welt zu revolutionieren. Für die Entwicklung der digitalen Welten steht uns mit der Münchener Firma Moby Digg ein renommiertes Kreativ-Studio zur Seite, das die Gaming-Parts herstellen und in die analoge Bühnenwelt einpassen wird. Unter Anleitung der Creative Directors erstellen die Programmiererinnen und Programmierer derzeit die Gaming-Welten für Freiburgs Musiktheater-Experiment. Über das Tracking-Verfahren des Motion Capture besteht später die Möglichkeit, Ausdruck und Bewegung der realen Sänger_innen während der Aufführung zu erfassen und live in die vorproduzierten digitalen Welten zu übertragen. Die Wechselwirkungen sind verblüffend – so verblüffend, dass sich die Spielenden bisweilen in den faszinierenden Parallel-Universen zu verlieren drohen, weil die Unterscheidung zwischen virtueller und realer Welt immer schwieriger wird: Was ist hier das echte Erleben? Welche Erfahrungen wirken wie auf Körper und Geist? Ist das Erleben in den Parallelwelten gar zuweilen realer als die wirkliche Welt, weil die Gebundenheit an Körperlichkeit und Schwerkraft dem beflügelten Geist nicht mehr hinderlich ist?
Mit Sarastro-Entertainment wird eine eigene und überaus phantasievolle Welt kreiert, in der gänzlich neue Erfahrungen möglich sind. An der Spitze des fiktiven Unternehmens steht Sarastro persönlich. Er entscheidet über Spielentwicklung, er hat ein Auge auf die Szenerie wie auf die einzelnen Spieler_innen – er hat sich mit unternehmerischem Geschick, visionären Ideen und einer gehörigen Portion Wagemut ein Universum geschaffen, über dem er jetzt als autokratischer Sonnenkönig thront. Nicht nur Moby Digg ist ihm bei der Umsetzung seines Gaming-Imperiums behilflich, sondern das gesamte Theater: Alle Mitwirkenden an der Bühnenaufführung stellen sich in den Dienst des Welten-Erfinders, um dem Publikum einen außergewöhnlichen und einmaligen Abend darzubieten.
Angesprochen werden soll dabei insbesondere auch eine jüngere Generation, die von Haus aus eine Affinität zu den Gaming-Welten mitbringt und die vielleicht neugierig ist, wie sich ihre Digital Worlds mit der nostalgisch-analogen Welt der Oper vermischen. Aber auch unser geschätztes Stammpublikum soll von der Möglichkeit begeistert werden, musikalisches Theater einmal gänzlich neu und anders zu denken. Der Theaterabend selbst ist dabei nie identisch zu erleben, sondern wird vom Publikumsverhalten mitgesteuert und läuft je nach individueller Avatar-Entscheidung anders ab.
Durch die Nutzung und das Zusammenspiel der unterschiedlichen Medien im Analogen wie im Digitalen entsteht ein stilbildendes Kunstwerk, das das Publikum auf eine neuartige Weise einbezieht: immersives Theater mit digitaler Zielrichtung für ein neues Live-Erlebnis, in dessen Zentrum sich neben Mozarts herausragender Musik einzig die Zuschauerin und der Zuschauer befindet. In dieser Neu-Formulierung verschmelzen Game, Theater und Musik zu einer ganz eigenen Kunstform, die es zu entdecken gilt. GAME ON: Wir wagen uns an die Ränder der Gaming-Welten – aber auch an die Ränder der Kunstform Musiktheater, die durch das Zusammenführen mit den technologischen Medien eine künstlerische Rundumerneuerung erfährt.
Für die Lebendigkeit der Kunstform Musiktheater ist Mozarts Musik noch immer der beste Gradmesser – vital, zeitlos, universal verständlich und einsetzbar. Und so ist Mozarts geniale Musik mehr als nur ein Gaming-Soundtrack (für den Mozart heute sicherlich reihenweise Szene-Preise und Awards abräumen würde) – Mozarts Musik bildet nach wie vor das utopische Potenzial, Kraft derer sich die unauflösbaren Widersprüche der menschlichen Existenz aufheben lassen. Dieses Potenzial kombinieren wir mit dem utopischen Potenzial der Spiele-Welten, auf dass es zu einer veritablen Vervielfachung kommt: indem neue Körper-Formen und Daseinszustände ausprobiert werden können, die eigene Materialität verlassen und genderfluid ein anderes Äußeres angenommen wird, indem eine neue Realität dazugeschaltet wird und man sich in die nächste Spiel- und Lebenswelt hineinkatapultiert – und all das nicht nur getragen, sondern ausgelöst von einer universellen Musik, die schon vor knapp 250 Jahren auf die Gipfelleistung der menschlichen Schaffenskraft gezielt hat. Um dieses Unterfangen beziehungsreich auf der analogen Bühne und in der digitalen Welt zu verorten, verbinden sich Theatermacher_innen und Kreativ-Studio zu einem Kollektiv an Wegbereitern. Sie bündeln kreative und digitale Kompetenz mit Offenheit und der Faszination an neuen Begegnungen zwischen den Sparten, Formen und Welten – um das Potenzial der Pixel auf das Potenzial der Töne loszulassen und zu einer Explosion der künstlerischen Energien zu führen. ■

 

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